Finnland (30.06.2018 - 14.07.2018)

Als letztes skandinavisches Land fuhren wir nach Finnland. Es war das nordische Land, von welchem wir am wenigsten wussten. Rockmusik fiel uns ein, Nokia und Samu von Sunrise Avenue – das war’s dann aber auch schon. Das einzig finnische Wort, das wir beherrschten, war Sauna. Zu allem Überfluss hatten wir für dieses Land keinen Lonely Planet, sondern einen Baedeker Reiseführer dabei, der sich als absoluter Müll herausstellte. Also einfach treiben lassen. Und was erwartete uns? Das schönste aller skandinavischen Länder, die idyllischsten Freisteh-Plätze, der entspannteste Fahrstil und die freundlichsten Menschen! Schon die ersten Stunden im Land verliefen super. Direkt hinter der Grenze steuerten wir recht planlos den ersten Ort am bottnischen Meerbusen an, Kemi. Der kleine Hafen war wunderschön angelegt, es gab tolle Spielplätze, unzählige Bars und Biergärten und gratis Wifi in der ganzen Stadt – whow! Nur wenige Kilometer weiter entdeckten wir direkt am Meer einen tollen Platz mit Sandstrand, Schaukel, Sauna und einem Kiosk. Jan ging angeln, wir schaukelten und buddelten mit Zoé im Sand und hatten einen wundervollen ersten Abend und eine tolle Nacht in Finnland. Die einsamen Badeplätze und schönen kleinen Häfen sollten uns das ganze Land über begleiten und uns immer wieder tolle Übernachtungsplätze bieten. Auch eine Sauna fand sich praktisch überall und es gab im ganzen Land keinen Parkplatz ohne wenigstens eine Schaukel, meist war es ein ganzer Abenteuerspielplatz. Die nächsten Tage tingelten wir die Küste des bottnischen Meerbusens hinab. Sehenswürdigkeiten und Badeplätze waren sehr gut ausgeschildert, sodass wir uns auch ohne Reiseführer bestens zurecht fanden. Endlich war wieder Leben auf den Straßen, die Menschen saßen in den Eiscafés und Biergärten, auf den super ausgebauten Radwegen skateten und radelten sie umher, Boote zogen ihre Bahnen durch’s Wasser. Nur ausländische Kennzeichen sahen wir praktisch garnicht mehr. Und ein Land, dessen Stadtbus „Citybussi“ heißt und das im „Health- und Fitnesshouse“ neben einem Gym und einem Physiotherapeuten einen Pizza-Express untergebracht hat, muss man einfach lieben! In Liminka Bay gab es schöne Naturlehrpfade, Vogelbeobachtungstürme über flachen Sümpfen, Picknick- und Feuerstellen (die im ganzen Land immer mit gratis Feuerholz ausgestattet waren!) und ein super Visitorcenter mit interaktiven Mitmach-Stationen und einer Malecke für Kinder. Ein nahe gelegener kleiner Hafen bot neben einem schönen Spielplatz einen gratis (!) Wohnmobilstellplatz auf einer Wiese und eine Bar in einem ausgedienten Schiff, da wir die einzigen Gäste waren hatten wir all dies für uns alleine und genossen den Tag in vollen Zügen. Hier testeten wir auch erstmals unser neues Duschzelt, was sich als voller Erfolg herausstellte und uns nun noch autaker machte (in Finnland fuhren wir kein einziges Mal einen kostenpflichtigen Campingplatz an, was unsere Reisekasse wunderbar entlastete). Kalajoki ist bekannt für seine kilometerlangen Sandstrände und Dünen und gilt als der Lieblingsferienort der Finnen. Burgerläden, Hotels, Freizeitparks, Erlebnisbäder, Campingplätze und Minigolfbahnen reihten sich aneinander und unzählige Kids sprangen umher. Wir pausierten etwas in den Dünen und gönnten uns in einem der Diner ein überraschend leckeres Mittagessen mit Burgern, Pommes und Softeis. Immer wieder fiel uns die USA-Affinität der Finnen auf. Es gab mehr Burger- und Softeisläden als in Miami, auf den Straßen fuhren unzählige Oldtimer oder hochgebockte Pick-Up’s im US-Stil umher und kein Kind war je ohne NY-Cap oder Under Armour-Shirt anzutreffen. Besonders vorteilhaft – praktisch jeder sprach fließend Englisch. Am Abend sahen wir von unserem Platz am Hafen einen unvergesslichen Sonnenuntergang, durch welchen sich ein Regenbogen spannte. Den nächsten Vormittag verbrachten wir in Kokkola, wo wir durch die bunten Holzhäuser aus dem 17. Jahrhundert im Altstadtviertel Neristan spazierten, anschließend am Fluss entlang und durch die Fußgängerzone zum Stadtpark. Am Meer gab es neben den obligatorischen Spielplätzen und Beachvolleyball-Feldern mehrere Disc-Golf Körbe – ein großes Hobby der Finnen, das wir noch etliche Male sehen werden. Über die unspektakuläre Sieben-Brücken –Schären-Straße ging unsere Fahrt weiter in den netten Ort Jakobstadt mit seiner alten Tabakfabrik und anschließend weiter nach Vaasa. Der Süd-Westen Finnlands war übrigens komplett 2-sprachig schwedisch/finnisch, was aufgrund der unterschiedlichen Ortsbezeichnungen immer wieder zu Verwirrungen beim Navigieren führte. Nach einer Mittagspause am Strand spazierten wir durch die Innenstadt und fuhren anschließend zu einer windgeschützten Bucht. Am hiesigen Badeplatz war es so warm, dass wir schwimmen gehen konnten, Zoé spielte stundenlang im flachen Wasser mit anderen Kindern und natürlich gab es auch wieder einen Grill- und einen Spielplatz. Mit einem kleinen Netz fing Jan einige Fische damit Zoé sie füttern und anschauen konnte, am Abend machten wir ein Feuer und grillten Würstchen. Ebenso gut gefallen hat uns das Kvarken Archipel, eine zerklüftete Schären-Insel, die wir über eine nahegelegene spektakuläre Brücke erreichten. Dichte Wälder, einsame Buchten, falunrote Farmhäuser – ein idyllisches Fleckchen Erde. In Kristinestad schauten wir uns auf unserem Stadtbummel die beeindruckende Kirche, das Stadthaus und eine Windmühle an bevor wir ein ausgedehntes Picknick auf einer schattigen Wiese machten. Der nächste Tag zog mit einem Strandbesuch, einem kleinen Fischerhafen und einem Picknick in Uusikaupunki an uns vorbei, Highlight waren die über 150 lebensgroßen Puppen, die am Stadtrand zu verschiedenen Szenen aufgestellt waren. Das Projekt wurde von 4 alten Damen ins Leben gerufen, die die Puppen über den Winter handgestrickt hatten.

Mit über 20.000 Inseln gilt die Schärenregion Südwest-Finnlands als das größte Archipel der Welt, welches wir die folgenden Tage erkundeten. In Kustavi standen wir wieder einmal ganz allein an einem kleinen Strand, als sich der Himmel unerwartet zuzog. Also beschlossen wir es auch einmal zu wagen – und gingen das erste Mal in eine echte finnische Sauna, die netterweise bereits angefeuert war; in Anbetracht des kühlen Lüftchens draußen eine nette Sache, vorallem dank der gratis heißen Dusche J. Im Hafenrestaurant aßen wir lecker zu Abend bevor wir es uns im Bus mit unseren Büchern gemütlich machten. Am nächsten Morgen setzten wir unseren Weg über die Schären-Ringstraße fort. Mehrere Brücken und kostenfreie Fährfahrten brachten uns von Eiland zu Eiland, was wirklich sehr schön aussah, allerdings für uns Camper nicht wirklich viel zu bieten hatte. Nur selten gab es Picknickstellen o.ä., die Inseln waren größtenteils in Privatbesitz und man konnte oftmals nur von Fähranleger zu Fähranleger durch fahren. Auf halber Strecke wurde dann plötzlich doch für eine Überfahrt Geld verlangt und zwar direkt 40€ - ärgerlich, aber wer dreht nach einem ganzem Fahrtag schon wieder um?! Wir machten das Beste aus der Situation, picknickten am Ufer, hielten an einem 24/7 Farmstand an um unsere Gemüsevorräte aufzufüllen und genossen auf einer der Überfahrten einen dampfenden Kaffee mit einer warmen Zimtschnecke. Etwas unglücklich verlief der nächste Abend: wir hatten uns nach dem Abendessen noch einmal hinters Steuer gesetzt weil wir bislang keinen schönen Übernachtungsplatz gefunden hatten und erreichten erst nach 22 Uhr die ehemalige Hauptstadt Turku. Bereits ziemlich platt hatten wir nicht bedacht, dass es Freitagabend war und wir uns seit langem einmal wieder in einer Großstadt befanden – wir wollten einfach nur schlafen. Schon am Hafen war ordentlich was los, auf jedem freien Stückchen Parkwiese und am gesamten Ufer des Aurajoki saßen junge Leute in Gruppen zusammen, tranken und lachten. Im Fluss schwammen mehrere Restaurant- und Partyboote, es wurde getanzt und mehrere DJ’s heizten der aufgestylten Meute ein. Wir wollten dem Trubel entfliehen und uns auf der vorgelagerten Schäreninsel Ruissalo ein ruhiges Plätzchen suchen – ein großer Fehler, denn hier fand an diesem Wochenende Finnlands ältestes Rockfestival „Ruisrock“ statt. Alles war abgesperrt, 1.000 Leute liefen umher, es ging weder vor noch zurück. Wir waren einfach nur froh unbeschadet aus dem Chaos herauszukommen und fuhren dann doch wieder zum Gästehafen in der Innenstadt, wo wir zwar eine kostenfreie, aber leider recht laute Nacht verbrachten. Bei Tageslicht gefiel uns Turku dann wieder richtig gut, eine lange Promenade führte am Hafen entlang, in der Innenstadt gab es diverse Malls, einen Markt und eine schöne Markthalle (und ein ordentliches Nachtleben ist ja prinzipiell auch nichts Schlechtes, solange man nicht unter kinds-bedingtem akutem Schlafmangel litt). Nach einem Nachmittag am Badesee erreichten wir am Abend Hanko, Finnlands südlichste Stadt mit einem bedeutenden Segel-Hafen. Auch hier war wieder der Teufel los, überall auf den Straßen liefen aufgestylte junge Leute umher, alle Hafenrestaurants waren rappelvoll, lange Schlangen bildeten sich vor den Clubs und Bars. Überall saßen Jugendliche grüppchenweise zusammen, hatten Tüten voller Bierdosen und Sektflaschen bei sich – man konnte stellenweise kaum laufen. Im Stadtpark, am Strand, auf den Aussichtstürmen und selbst auf der betonierten Hafenpromenade – überall wurden Zelte aufgeschlagen, Hängematten aufgehängt, Wagenburgen gebaut. Wer weder Zelt noch Campervan hatte schlief im Auto oder einfach in einem Schlafsack am Straßenrand wie wir am nächsten Morgen feststellten. Die ganze Stadt war eine einzige Partymeile – und das ohne ersichtlichen Anlass, ein Festival o.ä. fand nicht statt, für Getränke und Musik sorgte jede Gruppe selbst. Eins musste man den Finnen auf jeden Fall lassen – sie wussten, wie man den kurzen Sommer richtig ausnutzt! Diesmal hatten wir Glück was eine vorgelagerte Halbinsel anging und verbrachten hier in einem Pinienwald am Strand eine ruhige Nacht und eine tollen Vormittag. Tammisaari war unser nächster Stop, einmal mehr eine tolle Hafenstadt mit einer ganz in weiß gehaltenen Kirche und gemütlichen Eiscafés. In der Nähe von Kirkkonummi fanden wir dann unseren absoluten Lieblingsplatz im Land: inmitten eines Pinienwaldes, direkt am Strand, gab es einen traumhaft ruhigen, als Campingspot ausgewiesenen Platz mit Feuerholz, Wanderpfaden und Wasserpumpe – es sah aus wie auf den tollen Naturplätzen in den USA! Wir verbrachten gleich mehrere Tage hier und ließen es uns richtig gut gehen. Gut erholt ging es dann weiter in die Landeshauptstadt. Helsinki war eine recht ruhige Großstadt, kaum Verkehr, ein überschaubares Zentrum und trotz der Kreuzfahrttouristen nicht allzu hektisch auf den Straßen. Wir schlenderten am Hafen entlang, besuchten die alte Markthalle und die Buden auf dem zentralen Marktplatz und spazierten über die Flaniermeile Esplanadi in die Fußgängerzone, welche mit Geschäften und Shoppingmalls aufwartete. Natürlich besichtigten wir auch den Senatsplatz mit der prachtvollen Domkirche, die russisch anmutende Uspenski-Kathedrale und das futuristische Sibelius-Monument. Zum Abschluss fuhren wir auf die Insel Seurasaari und schlenderten hier durch die alten Gebäude des Freilichtmuseums, Zoé freute sich über die zahmen Eichhörnchen.

Unseren ursprünglich gefassten Plan nun per Schiff das 72-Stunden Sankt-Petersburg Visum in Anspruch zu nehmen verwarfen wir dann wieder. Zum einen hätten uns diese paar Tage über 1.000 Euro gekostet, zum anderen war wegen der Fußball-WM schon vieles ausgebucht und wahrscheinlich auch viel los. Und da für den 16.07. ein Treffen zwischen Trump und Putin in Helsinki angesetzt war und wir nur ungern diesem Aufeinandertreffen beiwohnen wollten, verschoben wir unseren Russlandtrip auf ein anderes Mal. Finnland dagegen ließ uns noch nicht los und so beschlossen wir, die Küste noch weiter bis zur russischen Grenze zu fahren. Hierbei trafen wir auf das für uns schönste finnische Ort – Provoo. Lauschige Cafés und Biergärten warteten am Hafen auf Besucher, an die krummen Kopfsteinpflastergassen der Altstadt drückten sich liebevoll restaurierte bunte Holzhäuser mit hübsch dekorierten Fenstern. Kleine Lädchen verkauften selbstgebastelte Magnete, handgenähte Teddybären und Kinderkleider, vor dem alten Rathaus fand ein kleiner Kunsthandwerksmarkt statt – es war einfach nur schön! Selbst der Dom erstrahlte wieder in vollem Glanz, nachdem er 2006 von einem betrunkenen Jugendlichen versehentlich niedergebrannt wurde.

Von der Nähe zur russischen Grenze spürte man außer einigen Straßenschildern nicht viel, generell hat sich der Schlenker durch die finnische Seenplatte nicht unbedingt gelohnt für uns. Es war deutlich mehr los als an der Meeresküste, auch ausländische Kennzeichen sahen wir hier wieder vermehrt. Die Landschaft mit ihren unzähligen, durch Kanäle miteinander verbundenen Seen zwischen dichten Wäldern war zwar sehr schön, brachte aber auch einige Mosquitos mit sich (zum Glück war es aber nicht ganz so schlimm wie wir zuvor immer gehört hatten). In Lappeenranta angelte Jan ein wenig, an den Vuoski-Wasserfällen (aufgrund einer Baustelle für 2 Jahre gesperrt) bummelten wir am 3D-Brunnen vorbei und picknickten. In Joensuu kamen wir wieder einmal pünktlich zum Rockfestival „Ilosaarirock“, die Kinderwelt im Carelicum war jedoch ein echtes Highlight für Zoé und der Mittagslunch im Botanischen Garten sehr entspannt. Die restliche Zeit im Inland verbrachten wir an diversen Badestränden, das Thermometer hatte zwischenzeitlich für finnische Verhältnisse ungeahnte Höhen erreicht. Nach 2 Wochen bestiegen wir dann die Fähre nach Estland, die uns in nur 2 Stunden von Skandinavien ins Baltikum bringen sollte.

 

Fazit Finnland:

Finnland war für uns das mit Abstand schönste Land Skandinaviens und die größte Überraschung. Die kleinen Orte am Meer waren allesamt wunderschön, die Infrastruktur mit Badeplätzen, Stränden und Sehenswürdigkeiten super. Die Menschen legen hier besonders großen Wert auf gepflegte Häuser und hübsch angelegte Gärten mit Sitzecken (in Norwegen und Schweden sahen viele der Holzhäuser etwas heruntergekommen aus). Wir fanden hier die schönsten Freistehplätze von ganz Skandinavien und trafen auf die nettesten Menschen. Mehrfach wurden wir angesprochen, woher wir kämen und wie es uns in Finnland gefalle. Auch Zoé fand endlich wieder nette Spielgefährten. Das Preisniveau war noch immer deutlich über dem deutschen, aber angenehmer als in den nordischen Nachbarländern. Schwer getan haben wir uns mit der Sprache, man konnte nun leider kaum noch etwas ableiten und wir verstanden praktisch überhaupt garkein Schild mehr, glücklicherweise sprachen im Land aufgrund ihrer USA-Liebe alle perfekt Englisch. Die Finnen selbst waren, wie schon die Schweden, sehr hübsch, stylten sich gern auf um auszugehen (die Männer trugen auffallend oft rosa) und auch hier wurde überdurchschnittlich viel geraucht. Und sie wussten zu feiern, auszugehen, Spaß zu haben und den kurzen Sommer zu nutzen. Auch die Fahrweise auf den Straßen war extrem entspannt, was sicher nicht zuletzt an den unzähligen Blitzern liegt. In Norwegen fielen uns auf den Straßen die vielen Elektroautos auf, hier waren es amerikanische Oldtimer und getunte Motorräder und Roller. Unsere einzigen Kritikpunkte am Land waren die Tatsache, dass wir nirgends eine Handwaschanlage für unseren Jolly Sprinter gefunden haben und die vielen hingekritzelten Hakenkreuze und Hitler-Sticker, die wir immer mal wieder fanden. Ansonsten hatten wir eine tolle Zeit in einem wunderschönen Land!