Einmal von West nach Ost – die große Überfahrt (03.10. – 22.10.)
Da wir es mit Arno und Ulla leider zeitlich nicht mehr geschafft hatten, machten wir uns nun zu Dritt noch einmal auf den Weg zum Lake Powell. Zwei Nächte verbrachten wir auf dem Lone Rock Campground und wieder war es traumhaft schön! Wir badeten und spielten mit Zoé am Strand, Jan wurde von einem anderen Camper eingeladen mit ihm zu Wakeboarden (was sich als sehr schwierig und anstrengend herausstellte) und wir verlebten schöne Stunden mit unseren Platznachbarn Renee und Paul und deren Hund Ruther. Die wunderschönen Sonnenuntergänge und den riesigen aufgehenden Mond werden wir nie vergessen!
Schweren Herzens machten wir uns dann auf den Weg in Richtung Osten, die Zeit arbeitete unbarmherzig gegen uns, in genau 1 Monat ging unser Rückflug. Zuerst erwartete uns eine lange, aber unglaublich schöne Fahrt durch das Indian Country im Osten Arizonas. Canyons, Hoodoo’s, Schluchten, Täler, Felsen und Wüsten in allen erdenklichen Rot-Tönen erstreckten sich links und rechts am Fahrbahnrand. Dazwischen tauchten immer wieder kleine Siedlungen der Hupi, Zuni oder Navajo Indianer auf, die leider alles andere als hübsch aussahen. Pressspanplatten und Wellblech-Hütten, meterhoch stapelten sich Müll und Schrott, vorallem alte Autoreifen und ausgemusterte Elektrogeräte lagen überall herum, dazwischen streunerten ungepflegte Hunde auf der Suche nach Futter umher – keine schöne Wohngegend…
Der nächste Staat auf unserer Reise wurde wieder zu einem echten Highlight – wir erreichten New Mexico. Über die alte Route 66 tuckerten wir gemächlich gen Osten und hielten immer wieder an verlassenen Tankstellen, retro Delis und tollen Fotostops. Besonders gut hat es uns im Örtchen Grants gefallen. Ein großes Route 66 Tor, unter welches man mit dem Auto fahren konnte, lud zum fotografieren ein und Zoé hatte großen Spaß im Stadtpark auf einem tollen Spielplatz am Flussufer. Unsere Lieblingsstadt wurde jedoch Albuquerque. Das wunderschöne Oldtown wartete mit alten Lehmziegelhäusern, Kakteen, Dorfplätzen mit Springbrunnen und malerischen Kirchen auf. Dazwischen gab es immer wieder kleinere und größere Stadtparks mit Live-Konzerten oder Spielplätzen. Auf der hübsch bepflanzten Terrasse eines Mexikaners saßen wir auf schwarzen, gusseisernen Stühlen und genossen ein super leckeres Abendessen. Genau zu unserer Besuchszeit fand die alljährliche Balloon Fiesta statt und wir konnten beim morgendlichen Massenstart zusehen - ein wirklich buntes, lustiges und beeindruckendes Schauspiel.
Für unsere weitere Route entschlossen wir uns trotz Zeitdruck zu einem Schlenker durch New Mexico und fuhren Richtung Norden in das kleine Örtchen Las Vegas, das mit seinem Namensvetter in Nevada jedoch nichts gemeinsam hat. Wir spazierten über die Old Town Plaza mit ihren alten viktorianischen und southwestern Häusern und machten eine lange gemütliche Pause im World Treasures Travelers Café. Geblümte Sofas, ein großes Bücherregal, Puff Pastrys mit Pilzen, Spinat und Fetakäse, frisch gebrühter Kaffee und Postkarten aus Heidelberg und Antwerpen an den Wänden – urig und gemütlich. Im Anschluss ließen wir es uns in den heißen Quellen am Ortsrand gut gehen. Verschiedene Becken luden zum baden ein, es galt nur die perfekt temperierte zu finden – und das völlig kostenfrei! Der Scenic Highway 518 führte uns anschließend durch Kiefernwälder, Pferdekoppeln und verlassene Dörfer mit kleinen Lehmziegelkirchen bis nach Taos. Hier schauten wir uns zuerst die San Francisco de Asis Kirche aus dem 18. Jahrhundert an und konnten kaum glauben noch in den Staaten zu sein, Portugal oder Mexico erschien uns wahrscheinlicher. Nächster Stop war die Rio Grande Gorge Bridge, die sich spektakulär in 200m Höhe über die Schlucht des Rio Grande spannte. Nur wenige Kilometer weiter konnte man die „Earthship“-Häuser besichtigen, die wir bereits aus dem TV kannten. Passivhäuser aus Recyclingmaterialien – sieht etwas gewöhnungsbedürftig aus, ist aber sicher keine schlechte Sache. Im Künstler-Dorf Taos verschlug es uns per Zufall zu Michael’s Kitchen – das Lieblingsrestaurant der Einheimischen. Rustikale Holzeinrichtung, hoher Geräuschpegel, alte Männer mit Cowboyhüten, gelangweilte Teens und Großfamilien – alles mischte sich zu einem bunten Durcheinander. Im Familienbetrieb half jeder mit und trotz des großen Andrangs hatte jeder immer noch ein Minütchen Zeit um mit Zoé zu scherzen – ein tolles Lokal (und die gefüllten Sopaipillas waren ganz nebenbei fantastisch)! Die weitere Fahrt war wunderschön – bei strahlend blauem Himmel und Sonnenschein ging es durch herbstlich bunt verfärbte Laubwälder an einem Fluss entlang durch eine Schlucht. Im Örtchen Cimarron (einst gefährlichste Wild-Western-Stadt der USA, in welcher die Tageszeitung titelte: „Alles ruhig in Cimarron, seit 3 Tagen wurde niemand erschossen“), wuschen wir wieder mal unseren Jolly und fuhren dann durch plattes, ödes Grasland bis zur texanischen Grenze. Wieder einmal gab es stundenlang nichts zu sehen, einziger Lichtblick war Minnie’s Dairy Diner. Zwei uralte Damen mit schrecklichem Dialekt bedienten ihre Gäste durch eine Glasscheibe, im einfachen holzvertäfelten Gastraum trafen sich Rentnerpärchen in Karohemden und Cowboyhüten sowie die Mitglieder der örtlichen Kirchengemeinde, jeder shakerte mit Zoé und es gab klassische herzhafte und sehr leckere Burger und Softeis – alles so wie es sein sollte :).
Von Texas sahen wir aus Zeitgründen leider nur den Zipfel des Panhandels, durch welchen uns die Route 66 hindurch führte. Auf der Cadillac-Ranch konnte man einige herumstehende ausgemusterte Cadillacs besprayen, was zwar recht sinnlos, aber irgendwie doch sehr Route 66 war ;).
Im Big Texan Steakhouse bekam man sein 2kg Steak gratis wenn man es innerhalb einer Stunde verdrückte – die Hall of Fame bestand ausschließlich aus stattlichen Männern 😆.
Amarillo war leider recht enttäuschend, eine schmutzige Stadt bestehend aus Motels und Fastfoodketten. Ein kleines privat geführtes Museum über die Mother Road hat uns da schon besser gefallen. Es informierte auch über die große Depression in den 30er-Jahren, die besonders die Plains hier sehr betroffen hat. Am Abend wollten wir gerade im Flying J eine Dusche nehmen, was eigentlich 12$ pro Person kostete, als ein Trucker auf uns zu kam und uns die Dusche auf seine Chipkarte spendierte – einfach so. An dieser Stelle mal ein paar kleine Anekdoten aus den letzten Wochen, es kann sich ja jeder selbst einmal Gedanken darüber machen, wie oft einem so etwas in Deutschland passiert:
In Vegas stand Jan am Getränkeautomaten unseres Motels an um sich eine Cola zu ziehen. Bei dem Typ vor ihm kamen versehentlich 2 Dosen aus dem Automaten als er sein Geld einwarf. Anstatt beide mitzunehmen schenkte er eine Dose Jan – einfach so.
In San Francisco saßen wir auf unserer morgendlichen Picknickbank um zu frühstücken, als neben uns ein älterer Herr Getränke und Snacks aufbaute für seine Freunde, mit welchen er eine Radtour unternehmen wollte. Unvermittelt kam er auf uns zu und bot uns an uns an frischem Kaffee und Tee zu bedienen – einfach so.
In Oregon übernachteten wir mit einigen anderen Womo’s auf einem Parkplatz, als es plötzlich an der Tür klopfte. Eine ältere Dame hielt uns mit den Worten „Ihr habt ja ein Baby, da könnt ihr das sicher gut gebrauchen“ ein Päckchen Feuchttücher entgegen – einfach so.
Am Lake Powell boten uns unsere Platznachbarn nicht nur ihre Fahrräder und Kanus an um sie mitzunutzen, sondern sogar ihr Auto, falls wir kurz zum Supermarkt fahren wollten – einfach so.
Am Lake Tahoe wurde Jan eingeladen das Standup-Paddel eines anderen Campers auszuprobieren – einfach so.
Fast täglich gab uns jemand seine Nummer „falls wir einmal Hilfe bräuchten“, in unserem Notizbuch sammelten sich die Adressen quer durch das ganze Land „falls wir in der Nähe wären und einen Schlafplatz bräuchten“ und nicht nur einmal wurden wir auf ein Bier oder Wein ans benachbarte Lagerfeuer eingeladen. Ganz zu schweigen von den vielen Kleinigkeiten, die Zoé ständig geschenkt wurden. Und das waren nur die Geschichten der letzten Wochen, nicht der ganzen Reise. Man denke nur einmal an Daniel und Ryanna zurück, die 3 Wochen auf unser Wohnmobil aufgepasst haben – einfach so….
In Oklahoma folgten wir weiterhin der geschichtsträchtigen Route 66, schliefen auf schönen gratis Plätzen am See und besuchten die ehemalige Tankstelle von Lucille, die auch die „Mother of the Motherroad“ genannt wurde - leider wurden wir ständig von einem heftigen Wind begleitet, was das draußen sein trotz der angenehmen Temperaturen etwas nervig machte. Besonders schön war auch unser Besuch der P_Barn Farm, wo es ein Maislabyrinth, Hüpfburgen, Spielplätze und vorallem viele Tiere zum füttern gab. Zoé hatte riesen Spaß mit den Ziegen, Eseln, Hühnern, Hasen, Schweinchen und Alpakas. Die vielen Kürbisse erinnerten uns jedoch unbarmherzig daran, dass es nun endgültig Herbst geworden war. Über die Pony- Bridge aus dem Jahre 1933 ging es weiter nach El Reno, das bekannt ist für seine „fried Onion-Burger“, die wir in Johnnie’s Grill auch gleich einmal testeten und für sehr gut befanden, ebenso auch den Pumpkin-Pie zum Dessert. In Oklahoma-City fuhren wir durch die Stockyard City, wo man noch heute echten Cowboys begegnete und schauten uns das Gelände der weltweit größten Viehversteigerung an, bei welcher 2x pro Woche jeweils bis zu 10.000 Kälber verkauft wurden. Berührt hat uns das Oklahoma City National Memorial zum Gedenken an das Bombenattentat von 1995, bei welchem 68 Menschen, darunter 19 Kinder, ihr Leben verloren. Für jedes Opfer stand ein leerer Stuhl auf einer großen Wiese vor einem Reflecting-Pool, die kleinen Stühlchen galten den Kindern 😢. Die Highlights von Arkansas waren der Maumelle Park, ein schöner Campingplatz im Grünen direkt am Arkansas River mit tollem Sonnenaufgang über dem Wasser, und eine besonders lange Mittagspause bei Sonnenschein im Stadtpark von Little Rock mit Spielplatz für die Kleinen und Weinschorle für die Großen 😉.
Mississippi kreuzten wir nur kurz bevor wir Tennessee enterten und nach Memphis fuhren. Um es gleich vorweg zu nehmen – eine tolle Stadt! Den Abend verbrachten wir in der weltberühmten Beale Street, eine Straße voller Bars, Clubs und kleinen Südstaaten-Lokalen mit abgewetzten Holzböden. An jeder Ecke erklang Blues oder Rock’n’Roll, die beiden bekanntesten Musikstile der Stadt, aus den Läden. Ein mega cooles Flair, uns hat die Stimmung sofort in ihren Bann gezogen! In einem klassischen Südstaatenlokal aßen wir frittierten Catfish, anschließend besuchten wir das Kult-Kaufhaus „Schwabs Dry Goods“. Am nächsten Tag bummelten wir durch den rießigen Bass Pro Outdoor Shop in einer Glaspyramide am Ufer des Mississippi, in welchem Bäume wuchsen und Fische durch die Teiche schwammen, man konnte kaum glauben, dass man sich drinnen aufhielt. Im Anschluss trennten wir uns, Jan und Zoé fuhren in den sehenswerten Zoo und Tatj besuchte das National Civil Rights Museum, das passenderweise im Loraine Motel untergebracht ist, dem Ort, an welchem Martin Luther King Jr. ermordet wurde. Die sehr umfangreiche, interessante Ausstellung stellte ausführlich die Rassendiskriminierung der letzten Jahre in den USA dar, angefangen bei der Sklavenhaltung, über die Aufstände im 20. Jahrhundert und den immerwährenden Kampf um Gleichberechtigung. Das Museum war sehr informativ und berührte sehr, insbesondere der Moment, als Tatj in einem Bus stand und sich die Sitzplatzbegrenzungen für Weiße und Farbige anschaute und ein alter farbiger Mann ihr aufgewühlt erzählte, wie er selbst als Kind in diesem Bus saß und er seine Hand nie über die Reeling der „Weißen-Sitzplätze“ schieben dufte, wird ihr immer im Gedächtnis bleiben. Schade ist nur, dass das Museum mit der Ermordung von Martin Luther King Jr. endete, denn leider gibt es auch aus jüngster Vergangenheit noch genug zu erzählen und aufzuarbeiten…
Die Peabody-Enten und Elvis Graceland ließen wir aus Zeitgründen aus und machten uns auf den Weg nach Nashville. Schon früh am Morgen war hier auf der Ausgehmeile „Broadway“ ordentlich etwas los, in den unzähligen Bars und Kneipen gab es schon jetzt Live-Musik und man hörte die schweren Cowboystiefel über die abgewetzten Holzdielen klappern. Ein Junggesellenabschied nach dem anderen radelte, lief oder fuhr durch die Straßen und es war alles in allem sehr laut. Zum Ausgehen am Wochenende sicher nicht schlecht, in der Summe war jedoch alles etwas siffig und überall roch es nach Rauch und Bier – nicht unbedingt die beste Umgebung für ein Baby. Stattdessen verbrachten wir den restlichen Tag in einem Statepark direkt an einem See, machten ein großes Picknick, spielten mit Zoé und gingen im See baden (nach dem Sturm in Oklahoma war es die letzten Tage noch einmal richtig sommerlich geworden).
Die Great Smoky Mountains, der beliebteste Nationalpark der USA, standen als nächstes auf dem Programm. Am Ende seines Scenic-Drives begann der 750 Km lange Blueridge Parkway, der uns bis in den
Shenandoah-Nationalpark brachte, wo wir noch einmal dem Skyline Drive durch den Park folgten. Für diese insgesamt knapp 1.000 Km lange, landschaftlich wunderschöne Strecke, nahmen wir uns eine
ganze Woche Zeit. Den ersten Tag verbrachten wir auf einem tollen Campground in den Smoky Mountains, bei sommerlichen Temperaturen spielten wir den ganzen Tag draußen, sammelten Nüsse und Blätter
mit Zoé, spazierten zum Fluss, liefen einen Nature-Trail und hatten einen super Tag. Über Nacht wurde es dann Herbst. Der Blueridge Parkway war wunderschön, durch herbstlich bunt verfärbte Wälder
fuhren wir vorbei an Aussichtspunkten und Visitor Centern, immer oben auf einem Bergkamm entlang. Wir konnten trotz der kühleren Temperaturen oft draußen in der Sonne picknicken und unternahmen
tolle kurze Wanderungen durch die Wälder. Mal hielten wir an einer Kuhweide und ein anderes Mal streichelten wir Pferde auf einer Koppel – Zoé liebte es die Tiere zu beobachten. Am Nachmittag
steuerten wir immer einen der schönen Campingplätze mitten in der Natur an und beendeten die Tage mit einem wärmenden Lagerfeuer. Stundenlang sammelten wir am Otter Creek Campground Steine und
warfen sie in den vorbeifliesenden Fluss, auf dem Loft Mountain Campground waren die Haselnüsse Zoé’s liebstes Spielzeug. An einem Abend wurden wir von einem anderen Camper eingeladen durch sein
Teleskop den Sternenhimmel zu betrachten, man konnte unter anderem ganz deutlich den Ring um den Saturn sehen! Eine super coole Erfahrung und wieder einmal – einfach so. Die letzte Nacht in der
Natur verbrachten wir am Shanandoah River, wo wir auf dem Herweg schon einmal übernachtet haben. Dann machten wir uns auf den Weg in Richtung New York City - Tante und Onkel warteten auf uns
😊.