Bosnien und Herzegowina (20.09.-22.09.2018 und 29.09.-06.10.2018)

Die Einreise nach Bosnien und Herzegowina verlief vollkommen problemlos, wir bekamen den ersten Stempel dieser Reise in unseren Pass und durften passieren. Das Landschaftsbild änderte sich schnell, es wurde sehr ländlich, alte Frauen mit bunten Kopftüchern bauten in den Gärten Gemüse an, es liefen Hühner und Ziegen umher, Hirten zogen mit ihren Schaf- und Kuhherden an uns vorbei. Die meisten Häuser waren neu aufgebaut aber noch unverputzt. Zwischendurch sahen wir aber auch immer wieder zerbombte, ausgebrannte und zerfallene Häuser, auch welche mit Einschusslöchern. Über dem ganzen Land lag eine leichte Rauchglocke, an jeder Ecke wurde Müll verbrannt, der herbe Geruch lag uns rund um die Uhr in der Nase. Aus den Rauchfetzen lugten Minarette und Kirchturmspitzen hinaus, regelmäßig hörten wir den Muezzin zum Gebet rufen, morgens wurden wir vom Krähen eines Hahns geweckt. Zwischen Straßenständen und Teppichläden dröhnte orientalische Musik aus den Bars. Auch der Straßenzustand änderte sich und wurde zusehends schlechter, meist fuhren wir auf Schotterpisten. Unser erster Stopp im Land war an einer Tankstelle, wo Zoé einfach so ein Eis geschenkt bekam, unser Geld wollte der Tankwart nicht annehmen. Und genau das blieb bis zum Ende unserer Reise durch das wunderschöne Land erhalten: die Menschen waren unfassbar freundlich, herzlich und zuvorkommend. Jeder winkte und lächelte uns zu, bei jedem einzelnen Tankstellenbesuch bekam Zoé etwas geschenkt! Auch die Landschaft überraschte uns total. Im Una-Nationalpark waren wir praktisch völlig alleine. Ein wunderschöner Picknick- und Badeplatz am Fluss reihte sich an den nächsten, wir verlebten ein tolles Mittagspicknick mit angeln und Co. Den beeindruckenden Strbaki Buk Wasserfall konnten wir von kleinen Holzbohlen-Wegen aus entdecken und in Martin Brod sahen wir neben dem Wasserfall noch eine alte Mühle. Auf dem schönen Campingplatz Buk in Kulen Vakuf am Fluss gab es ein kleines Café, einen Spielplatz und einen lieben Hund, der alte Besitzer schenkte Zoé Äpfel, Nüsse und Trauben aus seinem Garten. Eine einsame Straße führte uns durch dichten Wald und über karge Bergpässe weiter in den Süden, stundenlang begegneten wir keinem anderen Fahrzeug. In Livno testeten wir erstmals die bosnische Küche auf der Terrasse eines gemütlichen Lokals in der Fußgängerzone – eine tolle Erfahrung: niemand sprach auch nur ein Wort englisch oder deutsch, aber alle waren so nett. Für insgesamt 15€ hatten wir den Tisch voll mit Cevapis, Pommes und Salat, dazu Wein und Säfte. Zoé wurde mit in die Küche genommen und einmal durch das Personal gereicht während wir in Ruhe essen konnten – genau diese Geschichten hatten wir von anderen Elternzeitreisenden aus dem Osten der Welt gehört und nie wirklich geglaubt und nun passierte es uns! Ganz in der Nähe fanden wir am Buško Jezero einen tollen Platz am Strand – und wir waren trotz Wochenende und bestem Wetter ganz alleine! Es wurden ein toller Tag und eine ruhige Nacht am Strand – bevor wir am nächsten Morgen die Quittung bekamen: natürlich hatten wir uns im Sand festgefahren. Nur mit Hilfe eines netten Einheimischen, der uns mit seinem kleinen Traktor vom Strand zog, konnten wir gerettet werden. Den Wallfahrtsort Medugorje durchfuhren wir nur kurz, gerade luden 6 (!) italienische Reisebusse ihre Fracht ab, das war uns dann doch etwas zu viel. Durch einen wunderschönen Canyon führte unser weiterer Weg uns nach Blagaj, auf das gleichnamige Autocamp. Was wir hier die nächsten Tage erleben durften schlägt all unsere Camping-Erfahrungen um Längen: Die Atmosphäre war locker und entspannt, mit vielen anderen Overlandern standen wir auf einer Wiese unter Obstbäumen, saßen abends bei ein paar Gläsern im Gasthaus am Fluss Buna zusammen. Tretboote und Kanus standen zur Verfügung, nach der Ankunft lud man uns „zu einem Begrüßungsdrink auf’s Haus“ ein. Was Folgte waren jeweils 2 Bier, Radler und Apfelsäfte, eine rießige Obstplatte, ein Teller mit bosnischem Gebäck und ein Grillteller mit Brot – alles auf’s Haus! Auch in den nächsten Tagen bekamen wir jedes (!) Getränk, das wir bestellten, immer verdoppelt, jedes Mal gab es Obstplatten oder Kuchenteller dazu, Zoé bekam Tüten voller Brot um die Enten zu füttern und als wir uns nach 4 Tagen verabschiedeten bekamen wir noch eine Flasche Wein geschenkt – eine unfassbare Gastfreundschaft! Das Camp nutzten wir als Basis um uns das Örtchen Blagaj mit seinen unzähligen Granatapfelbäumen und die Vrelo Bune, die stärkste Trinkwasserquelle Europas, anzuschauen. 43.000 l Wasser sprudeln hier pro Sekunde hinaus, mit einem Schlauchboot fuhren wir in die Höhle hinein, die bis zu 300m tief ist und sich nach links und rechts durch weitere Tunnel schlängelt – sehr beeindruckend! Direkt an den Fluss wurde das Derwisch-Kloster Tekija gebaut, welches wir besichtigen konnten, Tatj allerdings nicht ohne ein verhüllendes Kopftuch. Kleine Cafés mit bunten Teppichen schenkten klassischen bosnischen Kaffee mit Baklavas aus, die Schilder waren arabisch, die Souvenirs orientalisch – und die Toiletten leider Stehklos :-(. In einem Restaurant am Fluss ließen wir uns Hummus und Cevapis schmecken. Einen weiteren schönen Tag hatten wir in Mostar. Die Free-Walking-Tour mit Ivan war sehr spannend und informativ, neben allgemeinen politischen und geschichtlichen Hintergründen zum Land erfuhren wir beispielsweise Vieles über die berühmten Brücken-Springer von Mostar, die sich im Sommer für 20€ und im Winter für 50€ die knapp 20m von der Stari Most in den Fluss hinunter stürzen. Die Stadt an sich bestand aus einem neuen Teil (der einer deutschen Großstadt ähnelte) und der touristischen Altstadt mit ihren schmalen, verwinkelten Gässchen rund um den Fluss. Steinbrücken, Moscheen, Teehäuser und Souvenirstände mit bunten Tüchern, Kupferschmuck und orientalischen Kaffeeservice – man fühlte sich wie in Istanbul. In einem der schönen Restaurants am Fluss bestellten wir eine gemischte bosnische Platte mit Fladenbrot, Ayvar, Reis, Kartoffelbrei, Cevapis, gefüllten Paprikas und gegrilltem Gemüse – mega lecker! In der Neustadt spielte Zoé mit anderen Kindern auf dem Spielplatz, wir gingen einkaufen und schauten uns die Statue von Bruce Lee an. Da das Land 3 Staatsoberhäupter hat und man niemandem auf die Füße treten wollte entschied man sich für Bruce Lee – er war weder bosnisch noch serbisch noch kroatisch, stand weder für den Islam noch für das Christentum und jeder mochte ihn – eine neutrale Figur. Wieso man dann allerdings überhaupt eine Statue aufstellte erschloss sich uns nicht so ganz… Mostar war für uns kein mega Highlight, aber wir hatten einen schönen Tag in der Stadt. Durch den landschaftlich sehr reizvollen Neretva-Canyon ging unsere Fahrt weiter in die Hauptstadt Sarajevo, wo wir uns für einige Tage ein AirBnB gemietet hatten. Highlight war, neben der unglaublichen Gastfreundschaft unserer Vermieter, unser Balkon mit Blick über die gesamte Altstadt. Am Abend lag die Stadt wie ein glitzernder Teppich vor uns, am Morgen zählten wir die Minarette – wunderschön. Sarajevo selbst zog uns sofort in seinen Bann, ein bunt gemischtes Multi-Kulti mit einem tollen Vibe. Lange streiften wir durch das alte osmanische Viertel Baščaršijska mit seinen Kopfsteinpflastergassen, Burek- und Baklava-Läden, Shishabars und Coffeeshops, Souvenirständen und Restaurants. In der Kupfergasse beobachteten wir wie hübscher Schmuck hergestellt wurde, in der Gazi Husrev-Bey’s Moschee sahen wir die Menschen beten. Besonders imposant waren die Sacred Heart Cathedral und das ewige Feuer zum Gedenken an die Opfer der beiden Weltkriege, die City Hall und die Old Orthodox Church. An der Latin-Brücke erinnerte eine Gedenktafel an den Ort, an welchem Gavrilo Princip im zweiten Versuch den österreichischen Thronfolger Franz Ferdinand ermordete und damit den 1. Weltkrieg auslöste. Über die Ferhadja-Straße kamen wir von der Alt- in die Neustadt, der Übergang wurde durch eine Linie mit der Aufschrift „Sarajevo meeting of cultures West / East“ markiert. Besonders ergreifend waren die vielen Sarajevo-Rosen in der ganzen Stadt. An den Stellen, an welchen besonders viele Menschen von einer Granate getötet wurden, wurden die Einschlaglöcher im Boden nicht repariert, sondern als Mahnmal mit roter Farbe ausgegossen, meist befand sich eine Gedenktafel mit den Namen der Opfer daneben. Die Neustadt war absolut modern mit Shoppingmalls, Pubs und Universitäten und die Shisha-Bar Damask bot neben Shishas auch leckeren bosnischen Kaffee an. Auch hier nahmen wir wieder an einer Free-Walking-Tour teil, unser heutiger Guide hieß Enes und machte seine Sache absolut super. Witzig, authentisch und schonungslos ehrlich berichtete er auch von seinen persönlichen Erlebnissen als Kind in einer belagerten Stadt, zum Beispiel davon, dass er nie farbige Kleidung tragen durfte um kein allzu leichtes Anschlagsopfer zu sein, von rationiertem Essen und Fliegeralarm während dem Unterricht. Während seinen Erzählungen liefen wir durch die Schauplätze der Stadt und er zeigte uns Fotos von damals. Besonders schön waren die Geschichten vom berühmten Iron Maiden Konzert in der eingeschlossenen Stadt und von der Sarajevo-Haggada. Am Nachmittag fuhren wir mit Enes noch zum Tunel of Hope, der in nur 4 Monaten unter dem Flugplatz gegraben wurde um die Stadt am Leben zu halten. Über die Sniper Alley ging es hinauf in die Berge, aus welchen die Stadt damals beschossen wurde, bis hin zu den alten Olympia-Stätten. Von hier hatten wir einen unglaublichen Blick über die ganze Stadt. Wir erfuhren an diesem Tag so viel über den Bosnienkrieg und die Geschichte des Landes, dass es den Rahmen hier sprengen würde alles aufzuschreiben – wir können jedem nur ans Herz legen selbst einmal nach Sarajevo zu fahren, die Stadt zu erleben und mit Enes die „Sarajevo under Siege“-Tour zu machen! Etwas Pech hatten wir leider was das Ausgehen in der Stadt anging, die Tipps der Einheimischen waren irgendwie nicht ganz so unseres. Das Café Tito verließen wir kehrtwendend wieder, hier sah man zur Mittagszeit vor lauter Rauchschwaden schon nicht mehr die Hand vor Augen, es stank nach Bier und die Musik dröhnte. In der Buregdzinica Oklagija aßen wir uns durch alle Burek-Sorten, dazu gab es Trinkjoghurt. Das Essen im Restaurant Barhana war leider auch kein Highlight. Davon abgesehen aber eine unfassbar tolle Stadt! Auf dem Weg zu unserer letzten Station im Land, den Sutjeska-Nationalpark ganz im Osten des Landes, sahen wir zum ersten Mal mehrere Polizeikontrollen, wir wurden jedoch immer durch gewunken. Durch Schluchten und an Flüssen entlang ging es immer höher in die Berge hinein. „Wie Yosemite, nur ohne die Touristenmassen“ haben wir über den Park gelesen – und genauso war es auch! Ein kurzer Trampelpfad brachte uns zum Dragoš Sedlo Aussichtspunkt auf 1.306m Höhe von wo aus wir den Wasserfall des Skakavac, die felsigen Klippen des Volujak und den höchsten Gipfel Bosniens, den Magliċ sahen. Auf einem knapp 1.700m hohen Plateau wanderten wir lange umher, genossen die unglaubliche Aussicht und verbrachten eine ruhige Nacht. Durch dichten Urwald ging es weiter – bis uns die schlechten Pisten zum Umkehren zwangen. Ein wunderschöner Flecken Erde! Am Ufer der Drina ging unsere Fahrt dann weiter in Richtung Serbien, wir passierten noch das schöne Ort Višegrad und näherten uns dann schon der Grenze. Balkan – das heißt übersetzt Blut und Honig – auf wohl kein anderes Land des ehemaligen Jugoslawiens passt diese Bezeichnung so gut wie auf Bosnien und Herzegowina!

 

Fazit Bosnien Herzegowina:

Wir haben uns total in das wunderschöne Bosnien und Herzegowina verliebt! In keinem anderen Land waren die Menschen so herzlich und freundlich! Die Natur war unfassbar schön, das Essen gut und das Preisniveau extrem niedrig. Es gab nur sehr wenige andere Touristen, meist trafen wir sie nur auf den Campgrounds. Alle waren sie wie wir Langzeit-Reisende und es ergaben sich immer wieder tolle Gespräche. Die Camping-Infrastruktur war an den touristisch interessanten Spots gut ausgebaut, auch AirBnB’s fanden sich im ganzen Land. Sarajevo wurde zu einer unserer liebsten Städte auf der ganzen Welt und die Nationalparks brauchen sich vor denen in den USA nicht zu verstecken.

Als etwas schwieriger erwies sich das Einkaufen: Zwar gab es überall DM-Drogeriemärkte und coole Klamottenläden, Lebensmittel allerdings fanden wir nur in kleinen Tante Emma-Läden mit doch recht überschaubarer Auswahl. Meist entschieden nicht wir, sondern das Angebot was es heute zu Essen gab. Allerdings spielte das bei den günstigen Restaurant-Preisen keine allzu entscheidende Rolle.

Negativ erwähnen muss man aber leider die vielen armen Straßenhunde im ganzen Land, noch nie haben wir so viele von ihnen gesehen. Und auch das Thema Müll war bislang noch nirgends so schlimm wie hier, überall schwammen Plastikflaschen im Wasser, lagen Müllberge im Wald und am Straßenrand. Beide Themen blieben leider auch in den folgenden Balkanländern bestehen. Es wurde für uns auch zum echten Problem unseren Haushaltsmüll zu entsorgen da es fast nirgends Mülltonnen gab. Wasser auffüllen war dagegen nie ein Problem, in allen Balkan-Ländern sprudelten öffentliche Trinkwasserquellen an den Straßenrändern. In größeren, touristischen Städten des Balkans gab es ab und an ein paar Bettler, idR waren es wie schon in Ungarn Roma, allerdings nicht wirklich mehr als zum Beispiel in Frankfurt.

 

Was das Thema Sicherheit angeht können wir nur sagen, dass wir uns zu jeder Zeit, auch beim Freistehen, sehr sicher gefühlt haben, niemals ergaben sich komische Situationen oder hatten wir ein ungutes Bauchgefühl. Ein Minen-Warnschild sahen wir nur ein einziges Mal, ganz in der Nähe von Sarajevo in einem Wald. Wir persönlich können uns jedoch leider recht gut vorstellen, dass es irgendwann noch einmal zu Problemen im Land kommen könnte. Die Strukturen hier sind einfach zu unübersichtlich, man ist sich einfach nicht richtig einig wie sich alles weiter entwickeln soll, die meisten Menschen trauern nur der Tito-Ära hinterher und haben keine Ideen, was als nächstes passieren soll. Geographisch ist das Land aus den Regionen Bosnien im Norden und Herzegowina im Süden zusammengesetzt. Politisch spalten sich vom bosnischen Teil noch die Republik Srpska (ein von bosnischen Serben bewohntes Gebiet, in welchem beispielsweise alle Schilder in kyrillischer Schrift verfasst sind) und die Entität Brčko ab. Um allen gerecht zu werden hat jeder Bereich seine eigene Legislative und Exekutive. Dies bedeutet, dass bei den derzeit stattfindenden Wahlen jeweils ein bosnisches, serbisches und kroatisches Regierungsoberhaupt gewählt wird, diese 3 wechseln alle 8 Monate den Vorsitz des Staatspräsidiums. Man kann sich unschwer vorstellen, dass dies gleichbedeutend mit politischem Stillstand ist. Auch in religiöser Sicht ist das Land sehr unterschiedlich, die Bosnier sind mehrheitlich muslimisch, die Serben orthodox und die Kroaten christlich. Hinzu kommen die Nachwehen des Bosnienkriegs, beispielsweise vom „Massaker in Srebrenica“, dem schwersten Kriegsverbrechen seit dem 2. Weltkrieg. In wenigen Tagen wurden hier über 8.000 Bosnier von Serben ermordet, in der Region Srpska finden sich heute Gedenktafeln, auf denen die Verantwortlichen hiervon gefeiert werden – verständlich, dass dies auf wenig Verständnis bei den Bosniern stößt…. All dies bietet viel Zündstoff für neue Fehden und wir hoffen sehr, dass wir eines Besseren belehrt werden und es friedlich bleibt, im wunderschönen Bosnien und Herzegowina.